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Ein Kölner Abt im Dienst der Klosterreform – Traktate und Reden in Cod. 247

Handschrift des Monats August 2022
Datum:
1. Aug. 2022
Von:
Dr. Harald Horst
Eine Klosterreform im Spätmittelalter ließ sich oft, aber nicht ausschließlich am Schreiben von Büchern festmachen. Dieser Sammelband aus Köln beschäftigt sich sowohl mit ihren theologischen Grundlagen als auch mit eher banalen Alltagsfragen.
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In den Monaten Juni und Juli wurden mit dem Graduale Cod. 1519 und dem Missale Cod. 1520 zwei Handschriften präsentiert, die in der Benediktinerabtei Groß St. Martin in Köln hergestellt worden waren. Unter Abt Adam Meyer (amt. 1454-1499) war dort ein produktives Skriptorium entstanden, das zeitglich mit der Verbreitung des Buchdrucks erblühte. Etwa 70 Handschriften aus dem Kloster sind heute noch bekannt; außer in Köln liegen sie in Berlin, Brüssel, Darmstadt, Düsseldorf, Leipzig, London, Paris, Wien sowie im Vatikan. (Cod. 247, fol. 171r)

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Die Herstellung von Büchern galt von jeher als ideale Beschäftigung für Mönche (fol. 121r). Die Bursfelder Kongregation, jene 1446 begründete benediktinische Reformbewegung, der die Abtei Groß St. Martin 1455 beitrat, empfahl diese Tätigkeit ausdrücklich in ihren Statuten. Der gewissenhafte Reformabt Adam Meyer richtete daher nicht nur in seinem eigenen Kloster, sondern in allen von ihm visitierten Klöstern eigene Skriptorien und Buchbindereien ein. Die Wiederbelebung der Schreibkunst in den Klöstern wurde so zu einem Zeichen für den Erfolg der durchgeführten Reformmaßnahmen. 

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Die in höchst unterschiedlichen Schreibstilen geschriebenen Texte, die im Kölner Cod. 247 zusammengestellt wurden, widmen sich demgegenüber eher den praktischen Aspekten der monastischen Reform. Von Bedeutung dafür ist etwa Abt Adam Meyers Ansprache zur Jahresversammlung der Bursfelder Kongregation im Jahr 1469. In konzentrierter Form legt er darin seine Auffassung von der Kongregation als einer Art Republik göttlichen Rechts dar (fol. 264r-272r). 

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Ob Meyer auch den am Beginn stehenden Traktat über die Ordensleute verfasst hat (fol. 1r - 90v), wird dagegen bezweifelt. Mit etwas größerer Wahrscheinlichkeit stammt die Kompilation über die Amtspflichten der Bischöfe von Adam Meyer. Im Widmungsprolog ist festgehalten, dass der Abt diese Schrift im Jahr 1480 dem gerade zum Kölner Erzbischof gewählten Hermann von Hessen überreicht habe. Dies ist auch der einzige Text in der Handschrift, der künstlerisch hervorgehoben wurde: Von einer Initiale in Deckfarben auf Goldgrund ausgehend rahmen zarte Blattranken mit bunten und goldenen Blütenblättern den ebenfalls farbig gefassten Schriftspiegel (fol. 171r, s. oben).

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Der Sammelband wurde sicher nicht für Abt Meyer selbst zusammengebunden – das ist schon aus zeitlichen Gründen unwahrscheinlich. Denn darin ist auch eine Ansprache von Meyers Nachfolger Heinrich von Lippe (amt. 1499-1505) enthalten, die dieser an eine Versammlung von Benediktinern der Bistümer Köln und Trier gerichtet hatte (fol. 91r - 102v). Von lokalhistorischem Interesse sind die Ansprachen, die Thomas Lyell 1470 und 1471 an den Klerus von Köln gehalten hatte (fol. 103r - 114v) – der Theologieprofessor war 1489 und 1502 schließlich Rector magnificus der Kölner Universität.

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Im 18. Jahrhundert wurde die Handschrift von dem gelehrten Benediktiner Oliver Legipont († 1758) benutzt. Der Bibliothekar und zeitweilige Prior von Groß St. Martin forschte zur Geschichte der Bursfelder Kongregation und den Schriftstellern des Benediktinerordens. Allerdings schreckte er bei seinen historischen Arbeiten nicht vor Fälschungen zurück, die man erst um 1900 als solche erkannte. Von Legipont stammen zahlreiche Randbemerkungen, einleitende Texte – wie hier etwa das nicht mitkopierte Vorwort zum Bischofstraktat (fol. 170v) – sowie Überschriften mit nicht immer korrekten Verfasserangaben. Nach der Auflösung der Abtei Groß St. Martin in der Säkularisation 1802 kam die Handschrift Cod. 247 auf unbekanntem Weg in den Besitz der Kölner Dombibliothek.