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Crafting Documents

Datum:
5. Nov. 2024

Bahnbrechende Untersuchung von drei Codices aus der Kölner Dombibliothek

Drei frühmittelalterliche Handschriften aus der Kölner Dombibliothek (Cod. 63, 65, und 67), die das monumentale Werk Enarrationes in Psalmos des Kirchenvaters Augustinus (354-430) enthalten, sind einem internationalen Forscherteam von dem Projekt Crafting Documents für eine innovative Untersuchung zur Verfügung gestellt worden. 

Ein Röntgenfluoreszenzspektrometer hat die Zusammensetzung der Tinte der um 800 in der nordostfranzösischen Abtei Chelles erstellten Codices an 19 unterschiedlichen Stellen - natürlich zerstörungsfrei - analysiert. Ziel war es, zentrale Referenzwerte für das Forschungsvorhaben der University of Oxford in Kooperation mit der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) zu sammeln.

Crafting Documents verbindet moderne Technik mit der Paläographie und erforscht, wie sich veränderte Methoden zur Herstellung von Tinte und Pergament auf die Arbeit von Schreibern auswirkten, die in der Übergangszeit zwischen Spätantike und Mittelalter (ca. 500 bis ca. 800 n. Chr.) schriftliche Dokumente produzierten. Durch die Analyse eines Korpus von etwa 500 Identifikationsetiketten, die ursprünglich an Reliquien von Heiligen angebracht waren, möchte das Projekt ein neues Verständnis der Materialität des geschriebenen Wortes schaffen und die Rolle der Heiligenkulte bei der Förderung dieser handwerklichen Tätigkeiten aufzeigen. Als Vergleichsobjekte dienen dabei Handschriften, die aus der gleichen Region stammen wie diese Etiketten.

«Zu den Kernaufgaben der Diözesan- und Dombibliothek Köln als Dienstleistungseinrichtung für die Forschung gehört es, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass ihre weltweit herausragende Sammlung mittelalterlicher Handschriften sowohl in Bezug auf einzelne Überlieferungsträger und Texte als auch als ganze Sammlung immer wieder mit neuen Methoden, unter neuen Gesichtspunkten und neuen Fragestellungen betrachtet werden kann», erklärt Marcus Stark, Direktor der Diözesan- und Dombibliothek.  «Das Forschungsprojekt der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung zu unterstützen, war daher für uns» - so Stark weiter - «eine Selbstverständlichkeit. Wir sind natürlich auf die Ergebnisse gespannt und freuen uns auf weitere Kooperationen».

 

Die untersuchten frühmittelalterliche Handschriften:

Den Geheimnissen der Tinte auf der Spur

Forscher machten Station in Köln und untersuchten mittelalterliche Handschriften

KÖLN. „Bitte seien Sie vorsichtig. Vermeiden Sie Erschütterungen und fassen Sie nichts an!“ Die Anweisungen von Professor Oliver Hahn sind klar und unmissverständlich. Geschützt durch eine Trennwand aus Kunststoff, sitzt der Fachbereichsleiter für Kunst- und Kulturgutanalyse bei der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung neben einer Apparatur, auf der ein Schild klebt, das vor Röntgenstrahlen warnt, und blickt konzentriert auf seinen Laptop. Bei dem Gerät, das über einer mittelalterlichen Handschrift aufgebaut ist, handelt es sich um ein Röntgenfluoreszenz-Spektrometer.

„Damit kann man zerstörungsfrei die Zusammensetzung von mittelalterlichen Tinten ermitteln“, erläutert der Wissenschaftler, der promovierter Physikchemiker ist und zusätzlich ein Studium der Kunstgeschichte absolviert hat. Zusammen mit seiner Kollegin, der Professorin Ira Rabin, ebenfalls Physikchemikerin und studierte Historikerin, ist Hahn für zwei Tage zu Gast in der Erzbischöflichen Diözesan- und Dombibliothek. Wenige Tage zuvor waren sie mit ihrer ganzen Ausrüstung in der vatikanischen Bibliothek und haben dort ebenfalls mittelalterliche Handschriften – korrekter: die Tinte, mit der die Pergamente beschrieben sind - analysiert. Die nächste Station ist in der Schweiz. Von dort aus geht es nach England. Und immer sind die beiden Forscher auf der Spur von Handschriften aus der Abtei Chelles, die nördlich von Paris lag. In diesem Kloster lebten Frauen, die lange Zeit ein Skriptorium betrieben, in dem „von Frauenhand“ geschriebene und gemalte Bücher entstanden sind. Die von den Forschern untersuchten, in Chelles gefertigten Meisterwerke stammen aus der Zeit um das Jahr 800. Damals leitete die Schwester Karls des Großen die bedeutende Abtei. Ausdruck des Selbstbewusstseins der Ordensfrauen ist die Tatsache, dass sie sich als Autorinnen in den Handschriften verewigten.

„Crafting Documents“ heißt das internationale Forschungsprojekt, in dessen Rahmen Hahn und Rabin arbeiten. Ziel ist es, „zu untersuchen, wie sich die veränderten Methoden zur Herstellung von Tinte und Pergament auf die Arbeit von Schreibern auswirkten, die in der wichtigen Übergangszeit zwischen Spätantike und Mittelalter produzierten“, erklärt Rabin, die in Manchester eine Gastprofessur innehat. „Wir versuchen, mithilfe einer systematischen Analyse des Zusammenhangs zwischen der Entwicklung der Handschrift, der Qualität des Pergaments und der zum Beschreiben verwandten Tinte zu neuen Erkenntnissen zu gelangen.“ Auch bemühe man sich, für mögliche Veränderungen im Laufe der Zeit, beispielsweise bei der Zusammensetzung der Tinte, Erklärungen vorzuschlagen, so die Professorin. Wann wird man mit Ergebnissen rechnen können? „Das kann noch dauern“, sind sich die beiden einig.

Robert Boecker

>> Kirchenzeitung für das Erzbistum Köln, Ausgabe 41-42, 11. Oktober 2024, S. 56

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